Kartenzählen beim Blackjack – Mythos, Mathematik und Realität


Funktioniert Kartenzählen beim Blackjack? Es gilt als eines der wenigen Casinospiele, bei denen ein kluger Spieler langfristig einen Vorteil gegenüber dem Haus erringen kann – zumindest theoretisch. Seit Jahrzehnten fasziniert das Spiel nicht nur Gelegenheitsspieler, sondern auch Mathematiker, Psychologen und Strategen. Der Schlüssel zur Strategie? Kartenzählen – ein Begriff, den aufgeklärte Spieler selbstbewusst verwenden Casinos fürchten.

Spätestens seit Filmen wie 21 oder Rain Man ist das Kartenzählen in der Popkultur angekommen. Die Vorstellung, mit einem brillanten Gedächtnis und einem Hauch Genialität dem Casino Millionen zu entreißen, ist ebenso reizvoll wie umstritten. Doch was steckt wirklich dahinter? Wie funktioniert Kartenzählen genau – und funktioniert es heute überhaupt noch?

In diesem Artikel werfen wir einen fundierten Blick auf das Phänomen: Von der mathematischen Grundlage über praktische Methoden bis hin zu den Gegenmaßnahmen der Casinos. Und wir klären: Ist Kartenzählen überhaupt legal – und wie unterscheidet es sich von anderen kontroversen Methoden wie dem Edge Sorting?

Was ist Kartenzählen beim Blackjack?

Kartenzählen (englisch Card Counting) ist eine Strategie, bei der Spieler mitzählen, welche Karten bereits ausgeteilt wurden. Das Ziel ist, den mathematischen Vorteil im weiteren Spielverlauf besser einzuschätzen. Da hohe Karten (10, Bube, Dame, König, Ass) für den Spieler vorteilhafter sind, lässt sich durch gezieltes Beobachten erkennen, wann der verbleibende Kartenstapel spielerfreundlich wird. In solchen Momenten setzen Kartenzähler mehr – und reduzieren den Einsatz, wenn das Blatt sich gegen sie wendet.

Entgegen vieler Mythen ist Kartenzählen kein geheimer Casino-Trick im eigentlichen Sinn und keine Manipulation: Es basiert ausschließlich auf Statistik, Konzentration und dem Kopf des Spielers – ohne technische Hilfsmittel. Deshalb ist es in vielen Ländern legal, wenngleich es von Casinos nicht gerne gesehen wird.

Übrigens: Mit dieser Technik entsteht kein sicherer Gewinn. Als Spieler kannst du aber die Wahrscheinlichkeit auf Gewinne erhöhen und im besten Fall den Hausvorteil des Casinos umdrehen.

Abgrenzung zu Edge Sorting

Edge Sorting hingegen ist keine mathematische, sondern eine visuelle Technik, bei der Spieler kleinste Unregelmäßigkeiten auf der Kartenrückseite ausnutzen, um bestimmte Karten zu erkennen. Berühmt wurde diese Methode durch Phil Ivey, der so Millionen gewann – aber vor Gericht wieder verlor.

Im Unterschied zum Kartenzählen erfordert Edge Sorting aktive Einflussnahme auf das Spiel (z. B. durch das gezielte Drehen von Karten) und wurde daher in mehreren Ländern als unzulässige Täuschung gewertet.

Warum funktioniert Card Counting?

Blackjack unterscheidet sich von vielen anderen Casinospielen durch einen entscheidenden Punkt: Die Karten werden nicht nach jeder Runde komplett ersetzt. Was einmal gespielt wurde, bleibt aus dem Spiel – und beeinflusst damit die Wahrscheinlichkeiten der nächsten Hände.

Wenn zum Beispiel viele kleine Karten (2–6) bereits ausgeteilt wurden, ist die Chance höher, dass hohe Karten (10 bis Ass) folgen. Das ist gut für den Spieler, weil es die Wahrscheinlichkeit für Blackjacks und Dealer-Busts erhöht.

Kartenzählen nutzt genau diesen Effekt: Durch das Mitverfolgen der gespielten Karten kann der Spieler den Erwartungswert jeder Hand abschätzen – und in günstigen Momenten mehr setzen, in ungünstigen weniger. Der Vorteil liegt zwar nur bei wenigen Prozentpunkten – reicht aber, um langfristig profitabel zu spielen.

Anwendung des Zählens: Das High-Low-System

Wie kann ich das Kartenzählen beim Blackjack anwenden? Das bekannteste System zum Kartenzählen ist das Hi-Lo-System. Dabei bekommt jede Karte einen Zählwert:

Kartenwert Wie du zählst
2 bis 6  +1
7 bis 9   0
10 und höher  -1

 

Man zählt jede Karte mit und bildet eine laufende Summe, den sogenannten Running Count. Je höher dieser Wert ist, desto mehr hohe Karten sind noch im Spiel – und desto besser die Ausgangslage für den Spieler.

Spielt man mit mehreren Kartendecks, wird der True Count berechnet: Man teilt den Running Count durch die Anzahl der geschätzten verbleibenden Decks. Der True Count ist die eigentliche Entscheidungsgrundlage.

Als Faustregel gilt: Pro True Count-Punkt verbessert sich der Erwartungswert um etwa 0,5 % – bei +2 ist man also erstmals im Gewinnbereich.

Praktisches Beispiel

Angenommen, du spielst mit 6 Kartendecks (insgesamt 312 Karten) und hast bereits folgende Karten gesehen:

  • 58 niedrige Karten → +5

  • 55 hohe Karten → –2

Der aktuelle Running Count beträgt: +3

Wenn du schätzt, dass noch etwa 3 Decks übrig sind, ergibt sich:

True Count = +3 ÷ 3 = +1

→ Das bedeutet: Du befindest dich ungefähr im Break-even-Bereich (100% Auszahlungsquote statt 99%) – noch kein klarer Vorteil, aber auch kein Nachteil mehr.

Wenn die nächste Karte niedrig ist, ergibt sich +2 für den Running Count. Dann liegt dein Erwartungswert bereits bei etwa +2 % RTP (101% RTP) – ein Moment, in dem viele Kartenzähler den Einsatz erhöhen.

Bekannteste Kartenzähler: MIT Blackjack Team

Der bekannteste Fall ist das MIT Blackjack Team aus den USA, das in den 1980er- und 1990er-Jahren mit Teamtaktiken Millionen gewann – legal, aber zunehmend unerwünscht. Mitglieder wurden erkannt, verfolgt, von Sicherheitsdiensten aufgelistet und ausgeschlossen – aber nie strafrechtlich belangt.

Einsatzstrategie und Gewinnzone

Kartenzähler spielen nicht anders – sie setzen anders. Das ist der zentrale Punkt: Solange der True Count niedrig oder negativ ist, wird möglichst wenig gesetzt. Erst wenn der Count positiv wird, lohnt sich ein höherer Einsatz.

Ein typisches Setzschema sieht so aus:

True Count Einsatz (bei Grundeinsatz 10 €)
≤ 0 Minimaleinsätze
+1 10 €
+2 20 €
+3 40 €
+4 80 € oder mehr

Professionelle Spieler nutzen Staffelungen oder Wettfaktoren, um schleichend und unauffällig zu erhöhen. Denn auffälliges Verhalten – plötzliche Verdopplung des Einsatzes – ist der schnellste Weg, von der Casinoüberwachung markiert zu werden.

Die „Gewinnzone“ beginnt bei etwa True Count +2, da hier der positive Erwartungswert groß genug ist, um den Hausvorteil nicht nur auszugleichen, sondern umzukehren.

Risiken und Grenzen des Kartenzählens

So elegant die Mathematik auch ist – Kartenzählen ist kein Selbstläufer. Die Varianz im Spielverlauf bleibt bestehen. Man kann auch bei gutem Count mehrere Runden verlieren – oder bei schlechtem Count gewinnen.

Weitere Herausforderungen:

  • Konzentration über Hunderte Hände hinweg

  • Exakte Deckschätzung, besonders bei unvollständigen „Shoes“

  • Vermeidung auffälligen Verhaltens

  • Disziplin, um sich strikt an das Zählsystem und die Setzstruktur zu halten

Außerdem müssen Zähler in der Spielbank mit der ständigen Gefahr leben, erkannt und ausgeschlossen zu werden – selbst ohne Regelverstoß. Viele Casinos üben ihr Hausrecht konsequent aus.

Wie Casinos gegen Kartenzähler vorgehen

Casinos setzen eine Reihe an Methoden ein, um Kartenzähler zu erkennen oder ihre Strategie wirkungslos zu machen:

  • Mehrdeck-Spiele (6–8 Decks): Verdünnen den Zähleffekt

  • Frühes Mischen aller Karten: Unterbricht den Zählfluss

  • Mischmaschinen (CSM): Mischen nach jeder Runde – Zählen wird sinnlos

  • Dealer-Schulungen: Zählverhalten identifizieren

  • Hausverbot oder Verweigerung weiterer Spiele

Kartenzählen online – geht das auch?

In klassischen Online-Blackjack-Spielen (mit Zufallsgenerator) ist Kartenzählen komplett unmöglich, da jede Runde unabhängig simuliert wird. Aber auch beim Live-Blackjack, etwa von Evolution Gaming, sieht es kaum besser aus:

  • Karten werden häufig oder sogar nach jeder Runde neu gemischt. Automatische Mischmaschinen finden Anwendung.

  • Nicht alle gespielten Karten sind für den Spieler sichtbar

  • Beobachtung von mehreren Tischen gleichzeitig nicht möglich

Fazit: Selbst bei Live-Blackjack mit echtem Dealer ist effektives Kartenzählen in der Praxis ausgeschlossen. Wer online Blackjack spielt, sollte sich lieber auf perfekte Basisstrategie und Bonusaktionen konzentrieren als auf Zählversuche.

Fazit: Lohnt sich Kartenzählen beim Blackjack?

Ja – theoretisch klappt die Zählstrategie. Wer sich intensiv mit dem Spiel beschäftigt, die Basisstrategie perfekt beherrscht, das Hi-Lo-System sicher anwenden kann und dazu unauffällig bleibt, kann sich einen echten Vorteil verschaffen. Aber:

  • Der Vorteil ist klein (meistens 0,5–1,5 %)

  • Die praktischen Hürden sind hoch

  • Die Gegenmaßnahmen der Casinos sind massiv

  • Online funktioniert das Kartenzählen nicht mehr

Für viele ist Kartenzählen heute mehr eine intellektuelle Herausforderung als ein verlässlicher Gewinnweg. Doch genau das macht seinen Reiz aus: Die Mischung aus Mathematik, Timing, Selbstbeherrschung – und ein bisschen Nervenkitzel.